Über Grenzen zu den Sternen - Přes hranice ke hvězdám
Bericht über die Durchführung eines grenzüberschreitenden internationalen Projekts deutscher und tschechischer Schüler mit dem Ziel der astronomischen Bildung

Die Sternwarte „Bruno H. Bürgel“ Sohland/Spree besitzt durch ihre Arbeit während ihrer 51jährigen Geschichte eine große schulastronomische Tradition. Neben Unterrichtsveranstaltungen, Tagungen, Vorträgen und Lehrerfortbildungen hatte schließlich auch die Zeitschrift „Astronomie + Raumfahrt im Unterricht“ unter Leitung des ehemaligen Chefredakteurs Dr. Helmut Bernhard (verstorben 2010) ihren Redaktionssitz in dieser wissenschaftlichen Einrichtung in der ostsächsichen Oberlausitz.

Hier wurde durch die Sternwarten-Vereinsmitglieder ab dem Jahr 2011 ein astronomisches Jugendprojekt entwickelt und durchgeführt, welches in dieser Form vermutlich einmalig in Deutschland ist. Das Hauptziel des Projekts ist die Bildung von Kindern und Jugendlichen auf naturwissenschaftlichem Gebiet mit dem Schwerpunkt in der Astronomie. Dabei sind Bildungsinhalte des Projekts zum Teil in den Lehrplänen der Schulen der jeweiligen Bildungsträger verankert, jedoch nicht in dieser von uns entwickelten verdichteten fächerverbindenden Form.

Begünstigt wurde die Planung und Durchführung des Projekts durch mehrere Faktoren:

Aktiver Sternwartenverein:
Der Sternwartenverein legt laut Satzung einen Arbeitsschwerpunkt auf die Bildung von und die Arbeit mit Jugendlichen auf astronomischen Gebiet. Ermöglicht wird das, da sich unter den Vereinsmitgliedern neben zahlreichen Amateurastronomen auch promovierte Wissenschaftler, Lehrer, Heimatforscher und Astrofotografen befinden. Diese führen jährlich mehr als 50 Vorträge für Schulklassen und Gruppen von Auszubildenden aus den umliegenden Schulen, dem Schullandheim Sohland/Spree und anderen Bildungseinrichtungen durch. Bei Himmelsbeobachtungen und Projektarbeiten werden Schüler der oberen Klassen des benachbarten Immanuel-Kant-Gymnasiums Wilthen fachkundig betreut. Mit verschiedenen Bildungseinrichtungen existieren Kooperationsverträge.

Ausstattung der Sternwarte:
Die am 13.10.1963 gegründete Sternwarte verfügt durch mehrere An- und Umbauten über die für die Durchführung des Projektes logistischen Grundlagen, neben einem Hörsaal stehen auch ein Seminarraum sowie ein Tagungsraum zur Verfügung. Außerdem existieren 2 Beobachtungsstationen in Form von Fernrohrkuppeln, in der entsprechendes Instrumentarium vorhanden ist. In der Sternwarte befindet sich auch eine Bibliothek mit astronomischer Fachliteratur sowie ein breites Spektrum astronomischer Zeitschriften. Ein nicht ganz unwesentlicher Aspekt bei der Durchführung des Projekts ist das Vorhandensein einer kleinen Küche.

Geographische Lage:
Sohland/Spree befindet sich am Rand der Oberlausitz und ist nur ca. 2 km von der tschechischen Grenze entfernt. Die Sternwarte liegt in 335 m Höhe auf dem Sternwartenberg, ist verkehrsmäßig gut erreichbar und verfügt glücklicherweise über einen durch die Ortschaft nicht allzu stark aufgehellten Himmel. Die Lage der Sternwarte und die politischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte im Rahmen des europäischen Integrationsprozesses gaben uns die Chance, unser Projekt grenzübergreifend gemeinsam mit tschechischen und deutschen Jugendlichen zu gestalten. Als Projektpartner konnte dazu die Základni škola J. Vohradského Šluknovr gewonnen werden. Mit dieser Schule und ihrem Lehrerkollegium bestehen bereits seit mehreren Jahren sehr gute Kontakte und es fanden in der Vergangenheit gemeinsame Veranstaltungen mit astronomischen Inhalten statt.

Auf Grund fehlender astronomischer Bildungseinrichtungen auf tschechischer Seite bestanden bei der Základni škola J. Vohradského Šluknov  hohe Erwartungshaltungen an eine erfolgreiche Durchführung des Projektes hinsichtlich pädagogischen und naturwissenschaftlichen Nutzens. Astronomische Inhalte bilden im tschechischen Schulsystem einen ähnlichen Schwerpunkt wie an sächsischen Mittelschulen und Gymnasien. Das fächerübergreifende Potenzial der Astronomie ist zwar erkannt aber die Inhalte sind in den klassischen Unterrichtsfächern integriert. Zur besseren Vertiefung und Vernetzung des Fachwissens müssen also zusätzliche Bildungsmaßnahmen durchgeführt werden, sollte das Ziel des Begreifens größerer Zusammenhänge, Prozesse und Strukturen nachhaltig gefestigt werden. Genau hier setzt das Projekt an.

Die fachlichen Schwerpunkte des Projekts gestalten sich folgendermaßen:

  • Aufbau und Eigenschaften des Sonnensystems
  • Unsere Galaxis, ferne Sternsysteme, Exoplaneten und andere kosmische Objekte
  • Der jahreszeitliche Sternenhimmel und seine Veränderungen
  • Astronomische Methoden der Zeitmessung und Kalenderbestimmung
  • Auf der Suche nach Leben im und außerhalb des Sonnensystems
  • Geschichtliche sowie heimatgeschichtliche Entwicklung der Astronomie
  • Teleskope und andere astronomische Beobachtungsgeräte
  • Aufbau und Nutzen von satellitengestützten Navigationssystemen

Zu diesen Punkten wurden von uns im Rahmen eines größeren Zyklus 10 Etappen, von uns als Events bezeichnet, gestaltet, die jeweils die Arbeit an mehreren der genannten Schwerpunkte beinhalten. Das Oberthema der 10 Etappen lautete: „Auf der Suche nach dem Stein der Weisen“. Damit die Veranstaltungen nicht zu sehr schulischen Charakter bekommen, wurden ihnen spannende und Neugierde weckende Namen gegeben, so z.B. „Krabats Zauberküche“, „Achtung – Außerirdische im Sonnensystem“, „Die Chronik der Weisen des Universums“ oder „Polarexpedition zur Höhle des Steinernen Astronomen“. In jedem Event wurde durch die Kinder ein möglicher „Stein der Weisen“ erarbeitet, welcher schwerpunktmäßig die jeweilige Veranstaltung prägte, so zum Beispiel Glas (oder Linsen aus Glas) beim Event „Die Nacht der Zyklopen“, in dem Fernrohre und Beobachtungstechnik behandelt wurden.

Ein wesentlicher Aspekt der Etappen ist die praktische Anwendung der (zum Teil neu) erworbenen Erkenntnisse durch die Jugendlichen, insbesondere bei der eigenständigen Beobachtung mit den Teleskopen der Sternwarte, dem Umgang mit Computern und satellitengestützten Navigationssystemen sowie anderen astronomischen Messgeräten. So stellte bei der schon erwähnten „Nacht der Zyklopen“ nicht die Benutzung der Sternwartenfernrohre den Schwerpunkt dar, sondern der eigenständige Bau eines kleinen Linsenteleskops. Durch die Bastelarbeit vertieften die Kinder und Jugendlichen ihre Kenntnisse und erweiterten sie durch praktische Erfahrungen. Aber auch andere Aspekte mussten bedacht und geplant werden: So sind sämtliche Arbeitsmaterialien für die Schüler zweisprachig zu erstellen, ebenso Präsentationen, Literatur, Internet-Recherchen u.v.a.m. Da die Events moderiert wurden, die Schüler sich in Arbeitsgruppen zusammen fanden, benötigten wir Dolmetscher für alle Veranstaltungen. Für die tschechischen Kinder musste ein grenzüberschreitender Transport zur Sternwarte organisiert werden. Außerdem haben wir zur Motivation der Schüler 2 projektbegleitende Maskottchen mit identitätsstiftenden Charakter entwickelt, Lupus und Carina, welche die Suche nach dem „Stein der Weisen“ begleiteten.

Auf Wunsch unseres tschechischen Projektpartners sind weitere Veranstaltungen entstanden, welche zum Teil an der Základní škola J. Vohradského Śluknov (okres Děčín) stattfinden. Dazu zählten Vorträge vor Schülern der genannten Schule zu den Themen

  • Sternenhimmel über Schluckenau (Śluknov) und Sohland/Spree
  • Wanderung durch das Sonnensystem am Beispiel der Sonden Voyager, Mars Express, Galileo und Cassini
  • Die Entstehung und die Zukunft des Weltalls

Im Rahmen des Projektes erreichten wir mehr als 500 Schüler, ca. 40 Schüler aus beiden Ländern absolvierten unsere bisher 2 durchgeführten Durchgänge der jeweils 10 Events. Als besonders motiviert und wissbegierig erwiesen sich die tschechischen Schüler, welche auch durch ihre bescheidene Art viele Sympathien der Vereinsmitglieder bekamen. Besonderer Höhepunkt war natürlich die im 10. Event stattfindende Entdeckung des „Steins der Weisen“, welche durch eine Pressekonferenz Eltern, Vereinsmitgliedern, Repräsentanten der Schulen sowie der regionalen Politik bekannt gegeben wurde.

Trotz der guten materiellen Voraussetzungen auf der Sternwarte war durch den Verein ein gewaltiges Arbeitspensum in den Jahren 2013 und 2014 zu bewältigen. Neben der pädagogischen Planung der Veranstaltungen mussten Teile des Sternwartengebäudes modernisiert werden, neue Technik, z.B. zusätzliche Computerarbeitsplätze, GPS-Empfänger oder Tablet-PCs mussten angeschafft und konfiguriert werden. Diese Maßnahmen wurden durch EU-Mittel im Rahmen des EFRE-Förderprogramms zwischen dem Freistaat Sachsen und der tschechischen Republik „Ziel 3/Cil 3 – Hallo Nachbar/Ahoj Sousede“ gefördert und durch die Gemeinde Sohland/Spree unterstützt. Die im Rahmen des Förderantrages eingeplanten 375 Stunden ehrenamtlicher und unbezahlter (!) Tätigkeit waren schon nach der absolvierten Hälfte des Projektes geleistet.

Als letzten Aspekt möchte ich einen schönen und gewünschten Nebeneffekt unseres Projektes erwähnen: Wie jeder Verein hat auch der Sternwartenverein der „Bruno H. Bürgel“ Sternwarte mit astronomischen Nachwuchsproblemen zu kämpfen und leidet unter einer Überalterung seiner Mitgliederstruktur. Umso schöner ist es daher, dass sich im Anschluss an das Projekt mit der Jugendgruppe „Young Stars – Junge Sterne“ eine Astronomie-AG gebildet hat, in welcher sich die Teilnehmer nun verstärkt und intensiver mit der Himmelskunde auseinandersetzen können. Bei den mittlerweile durchgeführten Veranstaltungen wurden erste astrofotografische Versuche unternommen, die grundlegende Bedienung unseres großen Fernrohres erlernt sowie die Vereinsveranstaltung zum „Tag der Archäoastronomie“ am 21.6.2014 mit der 2. internationalen Vernetzung von Sonnenheiligtümern unterstützt.

Die Begeisterung der Jugendlichen ist dabei für uns Motivation und Verpflichtung für die Fortführung des Projektes. Allen Mitbeteiligten und Förderern, insbesondere dem Sternwartenverein unter Leitung des langjährigen Vereinsvorsitzenden Wolfgang Knobel und dem Projektteam, soll an dieser Stelle ausdrücklich für ihre Unterstützung gedankt werden.